PM zur gewaltsamen Auflösung des Kirchenasyls in Gelsenkirchen-Buer

Tabubruch – Behörden schieben trotz Kirchenasyl ab

Gelsenkirchen/Köln/Münster. Am frühen Montagmorgen, 13.01.2020, hat die Ausländerbehörde der Stadt Gelsenkirchen einen jungen Mann aus Afghanistan aus dem Kirchenasyl in den Räumlichkeiten der Evangelisch Freikirchlichen Gemeinde Gelsenkirchen-Buer herausgeholt und am gleichen Tag über den Flughafen Frankfurt abgeschoben. Hiermit ist es zur ersten gewaltsamen Auflösung eines Kirchenasyls in NRW seit 2016 gekommen, obwohl grundsätzlich seit 1995 durch die NRW-Landesregierungen die Zusicherung gilt, dass Kirchenasyle respektiert und nicht behördlicherseits gebrochen werden sollen.

Manuel Linke, Pastor der Evangelisch Freikirchlichen Gemeinde Gelsenkirchen-Buer, äußert sich fassungslos über die behördliche Auflösung des Kirchenasyls: «Wir sind entsetzt über den vom BAMF angeordneten und von der Ausländerbehörde Gelsenkirchen in die Tat umgesetzten Bruch des Kirchenasyls. Wir halten als Gemeinde daran fest, dass es richtig und legitim ist, Geflüchtete durch Kirchenasyl vor einer Abschiebung zu schützen, wenn ihnen eine konkrete Gefahr droht. »

Die Vorstandsvorsitzende der bundesweiten ökumenischen Arbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“, Dietlind Jochims, ergänzt: „Die hier erfolgte behördliche Machtdemonstration zerstört wichtiges Vertrauen. Der zugesicherte Respekt vor bestehenden Kirchenasylen ist ein wichtiger Bestandteil aller Gespräche um dieses sensible Thema. Kirchenasyle sind Menschenrechtsarbeit. Die durch sie gestellten Fragen lassen sich nicht mit der Brechstange lösen.“

Die Eltern und der minderjährige Bruder des Mannes hatten sich bis November 2019 ebenfalls in der Gemeinde im Kirchenasyl befunden, konnten dieses dann jedoch nach einer positiven Gerichtsentscheidung verlassen und befinden sich nun im Asylverfahren in Deutschland. Ziel des den Behörden gemeldeten Kirchenasyls war es, die Familie vor einer Dublin-Überstellung nach Dänemark zu schützen.  Von dort droht eine anschließende Kettenabschiebung ins Herkunftsland Afghanistan. Einzig der junge Mann musste im Kirchenasyl eine verlängerte Überstellungsfrist überdauern, um im Anschluss ebenfalls ins reguläre Asylverfahren zu gelangen.

Durch den Kirchenasylbruch ist es zu nun zu einer Familientrennung gekommen und dem jungen Mann droht ab sofort eine Abschiebung von Dänemark aus ins nach wie vor unsichere und für ihn lebensgefährliche Afghanistan. Die erfolgte Familientrennung ist gänzlich unverständlich. Aus humanitären Gründen hätte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durch einen Selbsteintritt die Familie zusammenhalten können, auch bei einer derzeit formalen Zuständigkeit Dänemarks für das Asylverfahren des jungen Mannes.

«Der Tabubruch durch die Ausländerbehörde Gelsenkirchen, ein Kirchenasyl zu missachten, kann als Ausdruck der zunehmenden Normalisierung eines flüchtlingsfeindlichen Diskurses angesehen werden. Er zeugt von der immer restriktiveren Umsetzung einer inhumanen Abschiebepraxis», so Benedikt Kern vom Ökumenischen Netzwerk Asyl in der Kirche in NRW. «Es ist nun dringend notwendig, dass es einen öffentlichen Aufschrei über das Vorgehen der Behörden gibt: Es gilt die solidarische Praxis des Kirchenasyls zu schützen und Missachtungen dieser Tradition durch staatliche Stellen nicht zu akzeptieren. Die hohe Anzahl erfolgreicher ausgegangener Kirchenasyle von 96 % in NRW zeigt, wie wichtig diese Praxis des Menschenrechtsschutzes ist. Deswegen werden die Kirchengemeinden daran auch weiterhin festhalten und sich von Vorfällen wie in Gelsenkirchen nicht einschüchtern lassen. »

In NRW befinden sich zurzeit 117 Menschen in 71 Kirchenasylen, davon sind 68 sogenannte Dublin-Fälle. 103 Kirchenasyle wurden in den letzten 12 Monaten beendet, davon 99 (96%) positiv, beispielsweise mit Eintritt ins deutsch Asylverfahren. Bundesweit wissen wir aktuell von 425 Kirchenasylen mit mindestens 678 Personen, davon sind etwa 147 Kinder. 382 der Kirchenasyle sind Dublin-Fälle. Weitere Infos unter: www.kirchenasyl.de

Das Ökumenische Netzwerk Asyl in der Kirche in NRW berät seit 1994 Kirchengemeinden in NRW in Fragen des Kirchenasyls und unterstützt von Abschiebungsandrohungen betroffene Geflüchtete. Das Netzwerk hat Büros in Bielefeld, Köln und Münster.

Bei Rückfragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Ökumenisches Netzwerk Asyl in der Kirche in NRW e.V.

Tel: 0251-39995692 | Mobil: 0163-7438704 | nrw@kirchenasyl.de

 

Die PM kann hier als pdf-Datei heruntergeladen werden.