Newsletter 08/2018

  • Beitrags-Kategorie:Newsletter
  • Lesedauer:13 min Lesezeit

Liebe Freund*innen der Kirchenasylbewegung,

Spätestens seit der Abschiebung von 69 Menschen nach Afghanistan mit denen sich Horst Seehofers zu seinem 69. Geburtstag rühmte während einer von ihnen in Kabul Selbstmord beging, ist klar: Mit Menschlichkeit hat die aktuelle Asylpolitik nichts (mehr) zu tun. Für viel Medienaufmerksamkeit sorgt der Fall Danial M. „Seehofers Nummer 70“, der sich seit dem Geburtstag des Innenministers im Kirchenasyl in Bayreuth befindet.

Zum 1.8.18 ist nun auch die von BAMF und Innenministern beschlossene geänderte Handhabung von Kirchenasylen in Kraft getreten, die wir weiterhin kritisieren und zum Teil für rechtswidrig halten. Einen Überblick über die neuen Regelungen geben wir auf Seite 2 dieses Newsletters. Außerdem stellen wir das Projekt „Netzteufel“ gegen christliche Hatespeech im Internet vor und laden Sie ein, eine Petition zum Flüchtlingsschutz in Europa zu unterscheiben.

Den aktuellen Stand der Kirchenasyl-Statistik, weitere Termine, Pressemitteilungen und News können Sie auf unserer Homepage unter www.kirchenasyl.de nachlesen.

Wenn Sie die Artikel, die wir im „Pressespiegel“ zusammengestellt lesen möchten, folgen Sie bitte einfach dem markierten Link auf die Website.

Sollten Sie Veranstaltungen organisieren, die von Interesse sein könnten und die wir auf unserer Homepage und im Newsletter bewerben sollen, schreiben Sie uns bitte an info@kirchenasyl.de.

Wir wünschen allen Flüchtlingen und Gemeinden langen Atem und viel Kraft für die nächsten Monate.

Mit freundlichen Grüßen,

Genia Schenke Plisch
Ulrike La Gro

 

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In Eigener Sache

06.07.2018

Neuigkeiten in der Handhabung von Kirchenasyl

Im Juni 2018 beschloss die Innenministerkonferenzder Länder (IMK), die Überstellungsfrist nach der Dublin III-Verordnung für Menschen im Kirchenasyl um ein Jahr zu verlängern, wenn für die Behörden keine „außergewöhnliche Härte“ erkennbar wird. Die damit einher gehende willkürliche Bewertung von Menschen im Kirchenasyl als zu bestimmten Zeitpunkten „flüchtig“ im Sinne der Dublin-III-Verordnung betrachten wir als rechtswidrig. Kirchenasyl bedeutet eben gerade kein Untertauchen. Wir kritisieren die Beschlüsse der IMK und die geplante Umsetzung durch das BAMF ab 01.08.2018 scharf. Im Folgenden geben wir einen Überblick über die neuen Regelungen:

Die Überstellungsfrist wird bei allen ab dem 01. August 2018 beginnenden Kirchenasylen auf 18 Monate verlängert, wenn:

1) bei der Kenntnisgabe an die Behörden die Einbindung der Dossier-Ansprechperson nicht erkennbar ist.

2) innerhalb von vier Wochen nach Kirchenasylgewährung kein Härtefalldossier zur Begründung eingereicht wurde. Ein Nachreichen von Unterlagen ist grundsätzlich nicht vorgesehen. Ausnahmen sind z.B. fachärztliche Gutachten, wenn nachweisbar bereits ein Termin vereinbart wurde.

3) ein Kirchenasyl im Fall eines negativ beschiedenen Dossiers nicht innerhalb von drei Tagen beendet wird. Dieses Zeitfenster wäre selbst bei Bereitschaft zur Beendigung nicht umsetzbar. Wir betonen: Kirchengemeinden entscheiden selbst über die Beendigung eines Kirchenasyls. Nach einem abgelehnten Dossier wird der jeweilige Gemeindekirchenrat beraten, wie die veränderte Situation zu bewerten ist.

Weitere Änderungen:

Wird ein Dossier zur Vermeidung von Kirchenasyl abgelehnt und danach Kirchenasyl gewährt, wird die Überstellungfrist  auf 18 Monate verlängert.

Geht ein Dossier weniger als zwei Wochen plus einen Tag vor Ablauf der Überstellungsfrist beim BAMF ein, ist laut Aussage des BAMF eine Bearbeitung nicht mehr möglich. Die Überstelllungsfrist wird auch hier auf 18 Monate verlängert.

Es ist unklar, inwieweit die Beschlüsse der IMK auch die Kirchenasyle betreffen, bei denen es nicht um eine Dublin-Rücküberstellung, sondern um eine Abschiebung ins Herkunftsland geht. In vielen dieser Fälle ist aber gar nicht das BAMF zuständig für das Verfahren, sondern die Gerichte bzw. die lokale Ausländerbehörde.

Wir fordern nach wie vor eine Würdigung jedes Einzelfalls und eine Diskussion über Qualität im Flüchtlingsschutz, nicht Quantität von Abwehr!

 

I. Aktuelle Statistik

Aktuell zum 15.08.2018

Wir wissen zurzeit von 552 aktiven Kirchenasylen mit mindestens 868 Personen, davon sind etwa 175 Kinder. 512 der Kirchenasyle sind sogenannte Dublin Fälle. 

 

II. Pressespiegel*

 04.07.18 Westdeutsche Zeitung
Streit um neue Fristen für Kirchenasyl
Die Innenminister wollen die Zeit für ein Zurückschicken in das Ersteintrittsland um ein Jahr verlängern. Die Kirchen lehnen den Beschluss ab.

04.07.18 Salzburger Nachrichten
Vorzeigelehrling: Erzdiözese gewährt Kirchenasyl in St. Peter
Im Ringen um einen Aufenthaltsstatus für den pakistanischen Lehrling Ali Wajid gibt es nun eine Notlösung. Eine rechtliche Basis hat diese aber nicht.

04.07.18 tagesschau.de
Flugzeug deutscher Helfer festgesetzt
Das Flugzeug „Moonbird“ werde gemeinsam mit der Schweizer Humanitären Piloteninitiative (HPI) betrieben und von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) unterstützt, so Sea-Watch.

05.07.18 Meinerzhagener Zeitung
Kirchenasyl mit Erfolg beendet
Altena – Esmaeil Alikhanian kann sich endlich wieder frei bewegen. Drei Monate nach Beginn des Kirchenasyls im Lutherhaus erhielt der 28-Jährige Anfang der Woche seine Aufenthaltsgestattung.

10.07.18 Bayrischer Rundfunk
Abschiebung droht: Junger Afghane in Bayreuth im Kirchenasyl
Seit Freitag vergangener Woche ist ein junger Flüchtling aus Afghanistan in Bayreuth im Kirchenasyl. Der 22-Jährige hätte am vergangenen Dienstag zusammen mit 69 anderen abgelehnten Asylbewerbern vom Flughafen München in seine Heimat abgeschoben werden sollen

10.07.18 EKHN.de
Griechisches Flüchtlingscamp PIKPA vor dem Aus?
Bei dem Camp handelt es sich um ein selbst organisiertes Flüchtlingslager. Es wurde 2012 von Lesvos Solidarity – ein Zusammenschluss von Flüchtlingsinitiativen – auf einem nicht mehr genutzten Freizeit- und Feriengelände eingerichtet.

11.07.18 Darmstädter Echo
In Darmstadt finden vier Menschen unter dem Dach der Matthäusgemeinde Schutz
Bereits im April vor drei Jahren, hatte sich herumgesprochen, dass es in der Matthäusgemeinde einen Pfarrer gibt, der gemeinsam mit vielen ehrenamtlichen Helfern von Nächstenliebe nicht nur predigt – sondern sie auch lebt.

17.05.2018 Süddeutsche Zeitung
Seehofers verhinderte Nummer 70
Ein voll integrierter Afghane soll wegen einer Formalität abgeschoben werden. Nun sitzt der 22-jährige Danial im oberfränkischen Kirchenasyl. Sein Fall könnte für die CSU-Spitze knifflig werden.

19.07.2018 evangelisch.de
Pflegerin abgeschoben: Fürther Pfarrer kritisiert „Gnadenlosigkeit“
Die Kirche Sankt Martin in Fürth, wo Familie K., Anfang 2017 drei Monate lang in Pfarrer Haucks Gemeinde im Kirchenasyl war.

22.07.2018 Süddeutsche Zeitung
Kirchenasyl – Neue Regeln, neuer Streit
Das Innenministerium hat schärfere Regeln fürs Kirchenasyl erarbeitet. So müssen Flüchtlinge künftig bis zu eineinhalb Jahre ausharren, bis sie vor einer Abschiebung geschützt sind. Kirchen halten dagegen.

25.07.18 Rheinische Post
Evangelische Kirchengemeinde in Dortmund gewährt Nigerianerin Kirchenasyl
Die Gemeindeleitung, also das Presbyterium, und der Kirchenkreis seien einvernehmlich davon überzeugt, dass bei der jungen Frau aus Nigeria ein Härtefall vorliege.

30.07.18 nordbayern.de
Gericht: Ukrainerin aus Franken zu Unrecht abgeschoben
Vor knapp zwei Wochen ist eine aus der Ukraine stammende Krankenschwester trotz aller Proteste mit ihrer Familie abgeschoben worden. Zu Unrecht, wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof jetzt entschieden hat.

22.06.2018 domradio.de
AfD in Sachsen-Anhalt scheitert mit Antrag gegen Kirchenasyl
Bereits letztes Jahr scheiterte die AfD-Fraktion mit einem ähnlichen Antrag im Landtag von Sachsen-Anhalt.

 

III. Hinweise

III.I Projekt Netzteufel

„Mit Netzteufel hat die Evangelische Akademie zu Berlin ein Projekt gestartet, das direkt in digitalen Räumen agiert: Wir analysieren in Social Media die Verbreitung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit im Namen des christlichen Glaubens. Auf dieser Basis fragen wir, wie #DIGITALEKIRCHE Zivilcourage im Netz stärken kann.

HateSpeech und fakeNews sind Schlüsselbegriffe für den gesellschaftlichen Rechtsruck. Mit #hopeSpeech wollen wir die Frage stellen, wie ein hoffnungsvoller Blick für Menschlichkeit und Menschenwürde in einer digitalisierten Welt aussehen kann. Gemeinsam mit kirchlichen und kirchennahen Einrichtungen und Multiplikator*innen engagieren wir uns für demokratische Netzkultur und suchen nach Werkzeugen, Techniken und Strategien zur digitalen Selbstpositionierung, damit der digitale Hass uns weder im Netz noch andernorts erstickt.

Mit der Analyse von hateSpeech in E-Mails und Social Media nehmen wir menschenfeindliche Positionen und Erzählungen unter die Lupe, die sich explizit durch den christlichen Glauben legitimiert sehen. Wir wollen nach Anknüpfungspunkten für #hopeSpeech suchen und danach fragen, welche Erzählungen aus den christlichen Traditionen helfen können, Hass und Abwertung zu widerstehen und menschenfreundliche Narrative zu schaffen.

Verkürzungen sind nicht erst mit dem Internet in die Welt gekommen, sondern sind immer auch ein Teil christlicher und kirchlicher Geschichte gewesen. Dies gilt sowohl im Konstruktiven als auch im Destruktiven. Daraus leitet sich auch der Projektname „NetzTeufel“ bzw. „Der Teufel auch im Netz“ ab – als Sinnbild für eine christliche Tradition der Verbildlichung und Mahnung vor Dämonisierung.“

Vom 06.-07.09.2018 findet das Seminar#Whatthehope Christliche Narrative als Alternativen im Netz“ in Berlin statt. Die Tagung ist stark partizipativ und richtet sich an Menschen aus den Bereichen Theologie, Aktivismus, Design, Kommunikation und Gemeindearbeit.

Mehr Informationen: www.netzteufel.eaberlin.de

 

III.II Petition Flüchtlingspolitik in Europa: Erst stirbt das Recht, dann der Mensch!

„Als Christinnen und Christen, als Bürgerinnen und Bürger, fordern wir die Regierungen in der EU auf, den Flüchtlingsschutz nicht weiter zu gefährden. Von unseren Kirchen in Europa erwarten wir die Verteidigung der Menschenwürde ohne politische Rücksichtnahme. […]

Wir fordern von den Regierungen in der Europäischen Union:

Finden Sie Lösungen und eine Sprache, die von Humanität geleitet sind. Bekämpfen Sie Fluchtursachen, nicht die Flüchtlinge. Wahren Sie internationales Recht, statt es durch Abschottung auszuhöhlen. Entscheiden Sie sich für eine Politik der Mitmenschlichkeit und Solidarität, damit Europa seine Würde behält.

Wir fordern von den Kirchenleitungen in Europa:

Setzen Sie sich für Flüchtlinge ein. Äußern Sie sich mutiger, klarer und unmissverständlich. Nehmen Sie keine Rücksicht auf die Politik, sondern nur und ausschließlich auf die Menschen in Not. Setzen Sie sich in dieser historischen Situation für Flüchtlingsschutz und Humanität ein: Weisen Sie alle politischen Vorschläge zurück, denen nicht Liebe und Mitmenschlichkeit zugrunde liegen. Besuchen Sie die schutzsuchenden Menschen in ihren Unterkünften. Sprechen Sie mit den Helferinnen und Helfern, die aus Verzweiflung resignieren. Stärken Sie die Einrichtungen, die sich für Flüchtlinge einsetzen.“

Jetzt unterschreiben auf change.org

 

III.III Veranstaltungen

6.-7.09.18

Berlin-Schwanenwerder

#Whatthehope: Christilcie Narrative als Alternativen im Netz

22.09.18

Schwerte

Fachtag Kirchenasyl NRW

27.-28.09.18

Berlin

Fachtagung zu Resettlement und komplementären Zugangswegen
Veranstalter: UNHCR Deutschland und Diakonie Deutschland

29.09.18

Hamburg

We’ll come united
Bundesweite antirassistische Parade


9. – 11.11.18

Dorothee-Sölle-Haus
Königstraße 54, 22767 Hamburg

Kirchenasyl zwischen Institution und Bewegung
BAG Asyl in der Kirche Jahrestagung

 

* Hinweis: Bei den kursiv gedruckten, zitierten Sätzen handelt es sich teilweise um die Anfänge einer Auswahl von Artikeln, die sich in den letzten Wochen mit dem Thema Kirchenasyl beschäftigt haben. Sie geben nicht zwingend die Meinung der Redaktion wider. Die Hyperlinks der Überschriften verweisen auf die Quellen, sie sind für ihre Inhalte selbst verantwortlich. Am Erscheinungstag des Newsletters waren alle noch aktuell und zugänglich.