Newsletter 01/2020

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  • Lesedauer:10 min Lesezeit

Liebe Freund*innen der Kirchenasylbewegung,

Wir wünschen Ihnen alles Gute für das neue Jahr und hoffen, dass Sie die Weihnachtsfeiertage gut überstanden haben. Auf dem Mittelmeer gab es in diesem neuen Jahr bereits erste Todesfälle und es sieht nicht so aus, als würde sehr bald migrationspolitisch die große Wende eintreten. Im Gegenteil: Das Budget der europäischen Grenzschutzagentur Frontex steigt weiterhin enorm (siehe Seite 2), Abschottung und Abschiebung bleiben die Ziele der verantwortlichen Politikerinnen und Politiker. Es gibt uns allerdings Hoffnung, dass viele Engagierte weiterhin am Ball bleiben und neue hinzukommen. Wir freuen uns darauf, auch 2020 mit vielen von Ihnen in Kontakt zu sein, sei es beim „Tag des Kirchenasyls“, dem 30.08.2020, auf unserer Jahrestagung, die Ende September in Berlin stattfinden wird oder auf einer der zahlreichen Tagungen und Konferenzen, bei denen Mitglieder der Ökumenischen BAG Asyl in der Kirche auch dieses Jahr wieder dabei sein werden.

Wenn Sie die Artikel, die wir im „Pressespiegel“ zusammengestellt lesen möchten, folgen Sie bitte einfach dem markierten Link auf die Website. Sollten Sie Veranstaltungen organisieren, die von Interesse sein könnten und die wir auf unserer Homepage und im Newsletter bewerben sollen, schreiben Sie uns bitte an info@kirchenasyl.de.

Mit freundlichen Grüßen,

Genia Schenke
Ulrike La Gro

 

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I. In eigener Sache

 Abschottung, Tod und Angst dürfen keine „Europäische Lösung” sein

 Gemeinsames Statement zur Kundgebung am 09.01.2020 von der Ökumenischen BAG Asyl in der Kirche, borderline-europe, Forschungsgesellschaft Flucht und Migration, Seebrücke, Sea-Watch, Alarmphone, Women in Exile und weiteren

„Am Donnerstag, den 09. Januar 2020, kommen beim Migrationspolitischen Forum (MPF) Akteur*innen aus Politik, Behörden und Wissenschaft zusammen. Unter dem Titel ‘Agenturen (Frontex / EASO) als Rückgrat einer „Europäischen Lösung“‘ lädt der Direktor des MPF, Daniel Thym, in die Landesvertretung Baden-Württemberg beim Bund. Im Kern geht es bei dem Forum um die beiden europäischen Institutionen, die bei der Ankunft Asylsuchender an den EU-Außengrenzen eine immer mächtigere Rolle spielen.

Anfang Dezember 2019 trat die vom Europäischen Rat und Parlament im Vormonat beschlossene Verordnung zur Reform von Frontex in Kraft. Das Mandat wurde bedeutend erweitert und der Grenzschutzagentur rechtliche, administrative und finanzielle Autonomie verliehen. So ist Frontex nun für alle Rückkehr-Aspekte sowie die technische und operative Unterstützung der Mitgliedsstaaten verantwortlich. Vage Kontrollmechanismen, unklare Zuständigkeiten sowie Immunität verleihende Abkommen mit einzelnen Ländern verhindern, dass Beamt*innen für Verstöße und Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft gezogen werden. Die Zahl der von Frontex Angestellten und von den Mitgliedsstaaten entsandten Beamt*innen wird von 5.000 in 2021 auf 10.000 bis 2027 erhöht. Auch finanziell wird aufgestockt: der Budgetrahmen von 333 Millionen Euro im Jahr 2019 wird im Zeitraum 2021 bis 2027 auf 11,3 Milliarden Euro für die Agentur ausgeweitet.

In der europäischen Migrationspolitik dominiert das Ziel der größtmöglichen Kontrolle über Migrationsbewegungen. Der Begriff „Migration Management” ist zentral geworden für die Idee der Massenabfertigung Schutzsuchender in isolierten Zentren an den Rändern der EU, ohne die Möglichkeit, solidarische und unabhängige Unterstützung zu erfahren. Dass etwa ein Drittel der negativen Asylbescheide des BAMFs nach rechtlichem Einspruch korrigiert werden müssen, zeigt: Die Ökonomisierung der Asylprüfung droht den internationalen Schutz auszuhöhlen und nimmt es in Kauf, Menschen zu deportieren und ihr Leben in Gefahr zu bringen.

EASO, das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen, das, wie Frontex, hier als „Rückgrat einer europäischen Lösung” gepriesen wird, steht keinesfalls für faire Asylverfahren, die zum Ziel haben, Menschen in Not Schutz zu gewähren. Fehlende Übersetzungen, mangelnde Informationen zu Rechten und Abläufen der Asylverfahren sowie eine Europäisierung von Asylstandards mitsamt den innereuropäischen Machtverhältnissen sind nur einige der Kritikpunkte an der zukünftigen Asylagentur. In Anbetracht der Pläne der deutschen Regierung, die desaströsen Hotspots noch weiter auszubauen und Asylsuchende direkt an den Außengrenzen nach Bleibeperspektive zu sortieren, wird klar, wohin der Weg führen soll: schwindende Möglichkeiten für Geflüchtete, ihre Rechte einzufordern und die Priorisierung von „Abschiebung vor Aufnahme”.

Dabei hat sich Prof. Dr. Daniel Thym als starker Befürworter von Abschiebungen bereits einen Namen gemacht und wird regelmäßig als Sachverständiger in den Bundestag eingeladen. Wie er bei einer Anhörung zum „Geordnete Rückkehr Gesetz” im Innenausschuss ausführte, sieht er ein „Vollzugsdefizit“ in der Durchführung von Abschiebungen. In seiner Rolle als juristischer Berater befürwortete er so diverse Asylrechtsverschärfungen mit wissenschaftlichem Anklang. Kooperationen von Forschung und Politikberatung sind bekannt, sollten jedoch nicht einseitig instrumentalisiert werden. Die wissenschaftlichen Diskurse zu Flucht und Migration sind vielfältig, doch der Fokus der derzeitigen Politik ist deutlich: Abschottung und Abschiebung um jeden Preis.

Indem die Wissenschaft den Diskurs von Sicherheit durch Abschottung stärkt, anstatt humanitäre und solidarische Alternativen zu thematisieren, macht sie sich mitschuldig am Tod von Menschen auf der Flucht. Abschottung, Tod und Angst dürfen keine „Europäische Lösung” sein!

Wir fordern die Politik auf, Solidarität und Humanität zu Leitlinien ihres Handelns zu machen.

Wir fordern Diskussionen, in denen Migration und Flucht nicht problematisiert, sondern als Realität anerkannt werden.

Wir fordern menschliche Lösungen, die der Ziehung sichtbarer und unsichtbarer Grenzen Alternativen entgegensetzen und das Sterben von Menschen auf der Flucht beenden.

Fähren statt Frontex und Solidarität statt Ausgrenzung!

 

II. Aktuelle Statistik

Aktuell zum 27.01.2020

Wir wissen zurzeit von 419 aktiven Kirchenasylen mit mindestens 655 Personen, davon sind etwa 136 Kinder. 397 der Kirchenasyle sind sogenannte Dublin Fälle. 

 

III. Pressespiegel*

04.12.19 Wetterauer Zeitung
Gottesdienst markiert Ende des Kirchenasyls
In einem Gottesdienst am zweiten Adventssonntag, 8. Dezember, verabschiedet sich die Friedberger evangelische Kirchengemeinde von ihrer Arbeit im Bereich des Kirchenasyls.

09.12.19 kath.ch
Kirchenasyl: Annäherung an einen unscharfen Begriff
Kirchgemeinden, die Flüchtlingen Kirchenasyl gewährten, sorgten in letzter Zeit für Schlagzeilen. Kirchenasyl kann als symbolischer Akt eine Wirkung erzielen. Für Unterstützer ist es eine Gratwanderung.

09.12.19 domradio.de
Empörung über Tabubruch: Polizei stürmt wegen Abschiebung Kloster in Österreich
Der Orden zeigt sich empört und spricht von „Tabubruch“. Was war geschehen? In der Nacht zum zweiten Adventssonntag hatte die Polizei ein Kloster im österreichischen Langenlois gestürmt, um einen afghanischen Geflüchteten festzunehmen.

11.12.19 katholisch.de
Die Kirchen sollten beim Kirchenasyl mehr zivilen Ungehorsam zeigen
Der Fall eines Flüchtlings, den die Polizei aus dem Kirchenasyl holte, hat am Wochenende für Empörung gesorgt. Die Kirchen würden gut daran tun, sich noch mehr für Schutzsuchende einzusetzen, findet Roland Müller – und ruft zu zivilem Ungehorsam auf.

23.12.19 Mitteldeutsche Zeitung
„Immer brutaler nicht beachtet“ – Bischof kritisiert Umgang der Behörden mit Kirchenasyl
In evangelischen Kirchengemeinden in Thüringen und Sachsen-Anhalt leben derzeit 16 geflüchtete Menschen im Kirchenasyl.

26.12.19 evangelisch.de
EKD-Migrationsexperte: Kaum Fortschritte in EU-Flüchtlingspolitik
Der evangelische Migrationsexperte Manfred Rekowski beklagt einen weitgehenden Stillstand der Migrations- und Flüchtlingspolitik

* Hinweis: Bei den kursiv gedruckten, zitierten Sätzen handelt es sich teilweise um die Anfänge einer Auswahl von Artikeln, die sich in den letzten Wochen mit dem Thema Kirchenasyl beschäftigt haben. Sie geben nicht zwingend die Meinung der Redaktion wider. Die Hyperlinks der Überschriften verweisen auf die Quellen, sie sind für ihre Inhalte selbst verantwortlich. Am Erscheinungstag des Newsletters waren alle noch aktuell und zugänglich.

 

IV. Hinweise

IV.I Bericht und Diskussion: „Die US-Mexikanische Grenze und die EU: Staatliche Repression und Abschottung! Welche Formen des Widerstands sind möglich?“

Am 29.01.2020 wir in der Berliner Heilig-Kreuz-Kirche die Veranstaltung „Tear Down The Walls“ stattfinden. Im November 2019 waren wir Teil einer Delegation der Kirchenasyl-Bewegung in Deutschland und verschiedener Menschenrechtsorganisationen an die Grenze zwischen den USA und Mexiko. Im Januar werden wir von unserer Reise berichten und mit Vertreterinnen von Women in Exile, dem Flüchtlingsrat Berlin, Sea-Watch, Asyl in der Kirche Berlin-Brandenburg und borderline-europe diskutieren, wie wir transnationale Solidarität aufbauen. Ausgehend von unserer gemeinsamen Reise werden wir unsere Praxis hier in Deutschland und Europa reflektieren. Der Flyer zur Veranstaltung kann hier abgerufen werden.

 

IV.II Termine

29.01.2020

Berlin

„Tear Down The Walls“ Reisebericht und Diskussion

23.03.2020

Erlangen

Rechtsstaat versus Humanität – Studientag Kirchenasyl

30.08.2020

bundesweit

Tag des Kirchenasyls

 

25.-27.09.2020

Berlin

„Kirchenasyl: Deal or No Deal?“

Jahrestagung – Ökum. BAG Asyl in der Kirche

 

Hier gibt es den Newsletter_01_2020 als PDF