Menschenrechte für Flüchtlinge schützen! Kirchenasyl erhalten

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Vom 9. bis 11. November trafen sich in Hamburg 100 Aktive aus der Kirchenasylbewegung zur Jahrestagung der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche unter dem Titel „Kirchenasyl zwischen Institution und Bewegung“. Die folgende Erklärung entstand aus den Diskussionen während der Tagung.

I. Aktuelle Situation

Eine*r von fünf Geflüchteten ertrinkt beim Versuch, über das Mittelmeer Europa zu erreichen, während Seenotrettung unterbunden und kriminalisiert wird. In Hotspots in Griechenland müssen viele, die es dennoch geschafft haben, unter menschenunwürdigen Bedingungen ausharren. Die Länder an den Außengrenzen Europas wehren Flüchtlinge mit Zäunen, illegalen push-backs und Gewalt ab. Über die Grenzen hinaus versuchen Regierungen mit zweifelhaften Abkommen, weitere Fluchtwege zu schließen.  Protesten Geflüchteter für Bewegungsfreiheit und gegen Abschiebung wird mit brutalen Polizeieinsätzen begegnet. Anstelle einer Willkommenskultur werden politisch und medial in weiten Teilen Abschottung und Abgrenzung gepredigt. Menschenrechte und Flüchtlingsschutz werden ausgehöhlt.

II.Das Dublinsystem ist gescheitert, Kirchenasyl gibt davon Zeugnis

In Deutschland beschwören politische Entscheidungsträger*innen unverdrossen das Funktionieren des Dublin-III-Abkommens und betonen die Einhaltung Die unhaltbaren Zustände bei der Aufnahme und Unterbringung von Geflüchteten in Ländern wie Polen, Bulgarien, Ungarn oder Italien sind bekannt. Die höchst unterschiedlichen Anerkennungsquoten in den einzelnen Ländern des Dublin-Abkommens erinnern eher an eine Asyllotterie als an ein einheitliches europäisches System. Und nicht zuletzt aus den vielen individuellen Schilderungen der Menschen im Kirchenasyl ergibt sich das Bild eines Verschiebebahnhofs, bei dem humanitäre Aspekte außer Betracht bleiben.

Im Juni 2018 beschloss die Innenministerkonferenz der Länder (IMK), die Überstellungsfrist nach der Dublin III-Verordnung für Menschen im Kirchenasyl um ein Jahr, also auf 18 statt sechs Monate, zu verlängern, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtling (BAMF) die außergewöhnliche Härte nicht anerkennt und die Kirchengemeinde daraufhin das Kirchenasyl nicht beendet. Die damit einher gehende willkürliche Bewertung von Menschen im Kirchenasyl als zu bestimmten Zeitpunkten „flüchtig“ im Sinne der Dublin-III-Verordnung betrachten wir als rechtswidrig. Kirchenasyl bedeutet eben gerade kein Untertauchen, dem BAMF wird der Aufenthaltsort der Betroffenen unmittelbar und zuverlässig mitgeteilt.

Besonders die Forderung, das Kirchenasyl nach negativer Prüfung umgehend zu beenden, ist mit der Unabhängigkeit der Kirchenasyl gewährenden Gemeinden nicht zu vereinbaren.

Mit immer schärferen Regelungen wird versucht, Kirchenasyle zu erschweren. Geflüchtete, Gemeindevertreter*innen und Pfarrer*innen werden dabei kriminalisiert und den Gemeinden Regelverstöße vorgeworfen.

Hier stellen wir klar: Diese Politik verkennt das zentrale Anliegen von Kirchenasyl: Es geht beim Kirchenasyl um den Schutz von Menschen, ihrer Würde und Rechte aus einer gut begründeten Gewissensentscheidung im Einzelfall. Mit diesem Anliegen wenden wir uns in Kirchenasylfällen an das BAMF. Wir beobachten dort aber immer restriktivere Kriterien und zunehmend rein formale Entscheidungen. Statt Abhilfe in besonderen Härtefällen schafft die staatliche Praxis in vielen Fällen zusätzliche Härten.

III. Schlussfolgerungen

  • Wir fordern die Bundesregierung und die EU auf, eine sichere Einreise (safe passage) in die EU und in die Bundesrepublik zu gewährleisten. Nur so kann das Grundrecht auf Asyl auch faktisch garantiert und das Sterben an den EU-Außengrenzen beendet werden.
  • Wir fordern einen sofortigen Abschiebestopp für Afghanistan. Wir fordern dabei auch die Berücksichtigung der Praxis von „Kettenabschiebungen“ – über andere europäische Länder nach Afghanistan – bei Dublinverfahren.
  • Wir fordern wir einen sofortigen Abschiebestopp für Griechenland, das mit der Unterbringung Geflüchteter gezielt überfordert wurde und wird, und für Länder wie Italien und Bulgarien, die in aller Öffentlichkeit die Entrechtung Geflüchteter systematisch vorantreiben.
  • Wir fordern die Rücknahme der aktuellen Sanktionen gegen Kirchenasyle.
  • Wir fordern ein Ende der strafrechtlichen Verfolgung von Menschen im Kirchenasyl, von Gemeinden und von Pfarrer*innen, die Kirchenasyl gewähren.
  • Wir fordern nach wie vor eine Würdigung und humanitäre Prüfung jedes Einzelfalls und eine Diskussion über die Qualität von Flüchtlingsschutz, nicht über die Quantität von Abwehr.

IV. Wir machen weiter!

Wir setzen uns gemeinsam mit vielen ein für eine offene, solidarische Gesellschaft, in der keine*r mehr den Schutz des Kirchenasyls braucht. Bis dahin machen wir weiter.