Abschiebung nach Protesten verhindert: Kurdisches Ehepaar aus dem gebrochenen Kirchenasyl in Lobberich/Hinsbeck wird aus Abschiebehaft entlassen

Pressemitteilung des Ökumenischen Netzwerks Asyl in der Kirche in NRW und der Ökum. BAG Asyl in der Kirche vom 24.07.2023

Auf breiten zivilgesellschaftlichen Protest hin hat die Stadt Viersen die Überstellung des kurdischen Ehepaars, das seit Mai 2023 Kirchenasyl in der Evangelischen Kirchengemeinde Lobberich/Hinsbeck (Stadt Nettetal, Kreis Viersen, NRW) gefunden hatte, gestoppt. Das Kirchenasyl war am 10.07.2023 durch die ABH Viersen gewaltsam geräumt worden. Nachdem die Abschiebung auf dem Weg zum Flughafen aus medizinischen Gründen abgebrochen werden musste, waren die beiden irakischen Staatsbürger*innen in Darmstadt in Abschiebehaft genommen worden. Ein erneuter Versuch einer sogenannten Dublin-Überstellung des Paars nach Polen war zunächst für Dienstag, den 25.07.2023 vorgesehen.

Nach der Entlassung aus der Abschiebehaft kann das kurdische Paar in die Evangelische Kirchengemeinde Lobberich/Hinsbeck zurückkehren. Pfarrerin Elke Langer ist erleichtert über den Stopp der Abschiebung und die Entlassung der Eheleute aus der Abschiebehaft: „Ich bin sehr froh, dass den beiden eine erneute Rückführung nach Polen erspart wurde. Ich freue mich darauf, sie wiederzusehen und hoffe, dass sie nun etwas Ruhe finden und sich von den letzten Wochen erholen können. Wir haben es zu keinem Zeitpunkt bereut, die beiden aus humanitären Gründen im Kirchenasyl aufgenommen zu haben. Im Gegenteil haben die letzten Wochen noch einmal verdeutlicht, wie wichtig dieser Schutzraum für viele Betroffene ist. Daher sind wir auch weiterhin bereit, die beiden zu unterstützen. Jetzt geht es zunächst darum, eine dauerhafte Bleibeperspektive für die beiden zu entwickeln.“

Auch Pastorin Dietlind Jochims, Vorstandsvorsitzende der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Asyl in der Kirche, zeigt sich erleichtert: „Zunächst einmal wünschen wir den beiden Kirchenasyl-Gästen, dass sie etwas durchatmen können. Die zusätzlichen Strapazen der letzten zwei Wochen in der Abschiebehaft wären der Familie erspart geblieben, wenn die Behörden anders gehandelt hätten. Wir begrüßen die angekündigte Rückkehr zu Gesprächen mit der Landesregierung und werden weiterhin für kirchliche Schutzräume und Humanität eintreten, wo es nötig ist.“

Die rechtspolitische Sprecherin von PRO ASYL, Wiebke Judith, unterstreicht: „Wir sind froh, dass dem Ehepaar nun keine Rückführung nach Polen mehr droht. Doch vielen weiteren Asylsuchenden in Deutschland droht genau das, obwohl sie in Polen Grenzgewalt und Pushbacks erlebt haben. Auch die regelmäßige Inhaftierung von nach Polen abgeschobenen Menschen müsste Grund genug sein für die Bundesregierung, keine Dublin-Rückführungen nach Polen mehr durchzuführen.“

Tom Brandt vom Ökumenischen Netzwerk Asyl in der Kirche in NRW begrüßt das Einlenken der Behörden und betont: „Dass die Abschiebung gestoppt werden konnte, ist vor allem auch ein Erfolg des lautstarken Protests der vergangenen Wochen, der klar gemacht hat: Dieses rücksichtslose Vorgehen der ABH Viersen wird in unserer Gesellschaft zum Glück nicht akzeptiert! Man darf aber nicht vergessen, dass in vielen Fällen weder ein Kirchenasyl noch entschiedener zivilgesellschaftlicher Widerspruch inhumane Abschiebungen wie hier verhindern. Es braucht ein grundsätzliches Umdenken und eine Neuausrichtung der Asyl- und Migrationspolitik.“

Gewaltsame Räumungen von Kirchenasylen sind äußerst ungewöhnlich, da die Behörden diesen Schutzraum für Geflüchtete in Kirchengemeinden in der Regel respektieren. In NRW gibt es derzeit rund 140 laufende Kirchenasyle, bundesweit befinden sich aktuell knapp 700 Menschen im Kirchenasyl. Im vergangenen Jahr konnten rund 98% aller Kirchenasyle mit einer Bleibeperspektive für die Betroffenen beendet werden.

Pressekontakte

Ökumenisches Netzwerk Asyl in der Kirche NRW: Tom Brandt, Tel: 0176-43240783, nrw[atkirchenasyl.de

Ökumenische BAG Asyl in der Kirche: Pastorin Dietlind Jochims, 0171–4118333, dietlind.jochims[at]flucht.nordkirche.de

PRO ASYL: Wiebke Judith, 01578–8984135, wj[at]proasyl.de