Bleiberecht, Zuwanderungsgesetz, Härtefallkommissionen und Kirchenasyl. Positionspapier der Ökumenischen BAG Asyl in der Kirche e.V.

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Berlin, den 18. November 2005.

Über mehrere Jahre haben sich die Kirchen für ein humanitäreres Zuwanderungsgesetz eingesetzt: Verbesserter Schutz und mehr Rechte für Flüchtlinge sowie ein Bleiberecht für langjährig Geduldete standen dabei im Vordergrund.

Das Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes war für viele Anlass zur Hoffnung, da die Genfer Flüchtlingskonvention Einzug ins Gesetz hielt, die geschlechtsspezifische Verfolgung aufgenommen wurde und die Kettenduldungen abgeschafft werden sollten. Humanitäre Bleiberechtsmöglichkeiten wurden über die Paragraphen §§ 23a und 25,4 und 25,5 im Aufenthaltsgesetz verankert.

Wir müssen jedoch feststellen, dass die Erwartungen der Kirchen nicht erfüllt wurden und die Praxis in vielen Bundesländern und Landkreisen wesentlichen humanitären Zielen widerspricht:

1. Asylverfahren
Trotz sich drastisch verringernder Zahlen von Asylsuchenden ist keine spürbare Verbesserung im Umgang mit den antragstellenden Flüchtlingen erkennbar. Die chronisch schlechte Anhörungspraxis im Erstverfahren besteht an vielen Orten weiter, während sich das Bundesamt gegen Kritik abschottet. An die Stelle von bis dato staatlich geförderter Verfahrensberatung rückt verstärkt Rückkehrberatung. Traumatisierte Menschen, aber auch gerade Frauen, deren Schutz verbessert werden sollte, bleiben oft ungehört und werden vorschnell abgelehnt.
Nicht Flüchtlingsschutz ist mehr Ziel, sondern, wie der Widerruf von Flüchtlingsanerkennungen in großem Stil und die Rücküberstellungen in andere EU-Länder zeigen, der Schutz vor Flüchtlingen.

2. Kettenduldungen
Statt Menschen aus der langjährigen Untätigkeit und Entrechtung zu befreien, wurden Arbeitsverbote ausgeweitet und Duldungen wegen angeblicher Nichtmitwirkung bei der Passbeschaffung verlängert sowie der Abschiebungsdruck erhöht.

3. Subsidiärer Schutz
Auch diejenigen, die seit langem hier leben, die z.B. schwer krank sind, erhalten oftmals nicht den subsidiären Schutz, den sie bräuchten, sondern werden unter immer neuen Abschiebungsandrohungen aus dem Land vertrieben. Familien, die sich lange im Land aufhalten, werden vielerorts getrennt abgeschoben, ohne Rücksicht auf die Folgen. Gerade Kinder leiden darunter besonders.

4. Härtefallkommissionen
Bundesweit vollkommen unterschiedlich zusammengesetzte Härtefallkommissionen arbeiten äußerst divergierend und haben zum Teil kaum Spielraum und Mitbestimmung bei Entscheidungen. Meist kann lediglich ein Votum an den Innenminister abgegeben werden, oder die Entscheidung liegt bei Landkreisen, für die finanzielle Gesichtspunkte im Vordergrund stehen. Die Stimme der Zivilgesellschaft, der Wohlfahrtsverbände und Nichtregierungsorganisationen sowie der Kirchen wird teilweise nur sehr leise in den Kommissionen hörbar.

Zudem schleichen sich ökonomische Faktoren zunehmend als Entscheidungsgrundlage mit ein, die für eine echte Härtefallprüfung nicht ausschlaggebend sein sollten. Andere Kriterien geraten dabei schnell aus dem Blick. Menschen, die als Geduldete chronisch vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen wurden und dennoch mit aller Hartnäckigkeit versucht haben, frei von Sozialhilfekosten zu leben, bleiben in vielen Bundesländern von einem humanitären Bleiberecht ausgeschlossen.
Eine Ökonomisierung des Flüchtlingsschutzes lehnen wir ab, auch eine Hinterlegung großer Summen als Voraussetzung für eine Befassung in Härtefallkommissionen, wie Sachsen dies anstrebte.
Problematisch ist ebenfalls, dass innerhalb der Familien nicht differenziert werden kann. Wenn sich z.B. die Kinder hervorragend integriert haben, den Eltern dies aber nicht gelang, gibt es zur Zeit keinerlei Möglichkeiten, ihnen ein Bleiberecht einzuräumen; ebenso werden gesamte, oft große Familie abgewiesen, wenn nur eines der Kinder straffällig geworden ist.

Ein bestehendes oder zurückliegendes Kirchenasyl stellt in einigen Härtefallkommissionen einen Ausschlussgrund für die Befassung dar. Und dies, obwohl gerade Kirchenasyle aufzeigten, dass genauere Prüfungen des Einzelfalles zu gänzlich neuen Ergebnissen führen können, und damit seit über 20 Jahren den Weg für humanitäre Härtefallentscheidungen bereitet haben.

5. Bleiberechtsregelung
Kirchenasylfälle nach Ablehnung durch Härtefallkommissionen und Petitionsausschüsse machen deutlich, dass die Ermessensspielräume des Gesetzes nicht zugunsten der Flüchtlinge genutzt werden. Immer mehr Schüler-, Eltern-, Kindergärten-, Bürgerinitiativen bilden sich kommunal, da sie mit der Härte von Abschiebungen von Menschen, die lange hier leben, nicht einverstanden sind.

Wir fordern
– das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie die Innen- und Ausländerbehörden der Länder und Landkreise auf, die humanitären Möglichkeiten innerhalb des Zuwanderungsgesetzes auszuschöpfen;

– die Innenminister der Länder auf, eine großzügige Bleiberechtsregelung für langjährig hier geduldete Menschen, gerade auch zum Wohle der Kinder und Jugendlichen, zu beschließen;

– die Innenminister der Länder auf, die rigorosen, inhumanen und kostenintensiven Abschiebungen auszusetzen, vor allem bei drohenden Familientrennungen, bei Schwerkranken, in Krisengebiete, bei drohender Obdachlosigkeit und gerade in der Winterzeit;

– die Kirchen auf, mutiger für den Schutz von Flüchtlingen einzutreten und die Defizite des Zuwanderungsgesetzes und der Praxis der Härtefallkommissionen zu erfassen und aufzudecken.

Wir ermutigen
alle Kirchengemeinden, Klöster und christlichen Gemeinschaften, Menschen in Not Schutz für eine begrenzte Zeit zu gewähren und sich für eine humanitäre Bleiberechtsregelung stark zu machen.